UNESCO

Wie die Wende erlebt wurde - VHG-Schüler sprechen für Ausstellung mit Zeitzeugen des Mauerfalls

Den Tag des Mauerfalls kennen die Jugendlichen von heute nur noch aus den Geschichtsbüchern. Das wollten die Mitglieder der Unesco-Gruppe am Veit-Höser Gymnasium Bogen (VHG) ändern: Wie hatten Menschen aus ihrem Umfeld den Abend des 9. November 1989 erlebt? Sie befragten diese als Zeitzeugen. Das Ergebnis wird – zusammen mit Aussagen aus Rostock – ab Mittwoch, 9. November, in einer Ausstellung im Bogener Rathaus gezeigt.

Die von den Schülerinnen und Schülern des VHG befragten Zeitzeugen waren Eltern, Großeltern und Lehrer, aber auch Menschen außerhalb von Schule und Familie. Die Erinnerungen hielten sie auf bunten Plakaten fest. Um die Ergebnisse aus Bogen mit Eindrücken von Menschen aus der ehemaligen DDR vergleichen zu können, nahmen sie Kontakt zum Innerstädtischen Gymnasium in Rostock (ISG) auf, das wie das VHG eine Unesco-Projektschule ist.

Bei der Kontaktvermittlung half die VHG-Unesco-Schulkoordinatorin Heidi Kraus, die gleichzeitig die bayerische Unesco-Landeskoordinatorin ist. „Ich kannte Ute Börner-Pietsch, die Unesco-Schulkoordinatorin des ISG und Unesco-Landeskoordinatorin von Mecklenburg-Vorpommern, von diversen bundesweiten Unesco-Veranstaltungen.“ Börner-Pietsch war für den Plan sofort zu haben: „Dieses Projekt fand ich besonders geeignet, um das geschichtliche Bewusstsein für die ehemalige Teilung unseres Landes bei meinen Schülern zu wecken“, sagt sie.

Die DDR sei vor allem für die jüngeren Schüler aus Rostock ganz weit weg. Zum Teil hätten sie nicht einmal mit dem Begriff „Wende“ etwas anfangen können. Anders sei es nur bei den Schülern gewesen, bei denen ein Elternteil aus dem Osten und ein Elternteil aus dem Westen stamme. In diesen Familien seien der Mauerfall und die vorausgegangene Teilung Deutschlands bis heute Thema bei Familientreffen.

Beeindruckt zeigten sich auch die VHG-Schüler. Die 15-jährige Malena Liebl von der VHG-Unesco-Gruppe, die ihren Vater befragt hatte, sagt beispielsweise, wie faszinierend es für sie sei, dass ihr Zeitzeuge beim Mauerfall ungefähr so alt war wie sie jetzt – und bei einem solch epochalen Ereignis mit dabei. Ihr Mitschüler Damian Weiß findet an diesem Projekt besonders gut, dass es Sichtweisen aus Ost und West miteinander vergleicht. „Da gab es so unterschiedliche und dennoch gleiche Ansichten und Eindrücke“, resümiert seine Teampartnerin Malena. Die niederbayerischen Zeitzeugen starrten einst wie gebannt auf die Fernsehbildschirme und konnten es nicht fassen, die Zeitzeugen in Mecklenburg-Vorpommern erfuhren vom Mauerfall zumeist durch Freunde, Bekannte und Kollegen – oder erst einmal gar nicht. Sein Papa habe am 10. November davon erfahren, „als einer seinen Stempel gezeigt hat“, steht etwa auf einem Rostocker Plakat.

Während in Niederbayern der Mauerfall am nächsten Tag eifrig in der Schule diskutiert wurde, aber ansonsten das Leben wie gewohnt weiterging, war in Rostock „plötzlich nichts mehr so, wie es vorher war“. Auch ganz banale Fragen beschäftigten die Rostocker Zeitzeugen: „Wie sehen im Westen die Geschäfte aus?“ Oder: „Kann ich jetzt wirklich einfach so zum Beispiel in die USA reisen?“ Gemeinsam war in beiden Landesteilen die Euphorie, in die sich aber auch Angst mischte, von der etwa VHG-Schulleiter Clemens Kink oder Heidi Kraus berichten, die ebenfalls von ihren Schülern interviewt wurden.

„Damit das Bewusstsein für das Geschenk einer unblutigen, friedlichen Revolution im Laufe der Jahre nicht verlorengeht, auch dafür machen wir dieses Projekt“, sagen Börner-Pietsch und Kraus. Es sei „eine interessante Erfahrung“ gewesen, mit ihrem Großvater darüber zu sprechen, wie er die Zeit des Mauerfalls erlebt habe, erzählt die 15-jährige VHG-Schülerin Victoria Moro. Jetzt wisse sie nicht nur mehr über die Wendezeit, sondern habe „vor allem auch einen ungefähren Eindruck, wie sich die Menschen damals gefühlt haben“.

Die Ergebnisse der gemeinsamen Zeitzeugenrecherche von VHG und ISG werden am Mittwoch, 9. November, um 13.30 Uhr im Foyer des Bogener Rathauses in Anwesenheit von Bürgermeisterin Andrea Probst und VHG-Schulleiter Clemens Kink präsentiert. Die gesamte Bevölkerung ist willkommen. Anschließend wird die Ausstellung bis zum 9. Dezember zu den Öffnungszeiten des Rathauses zu besichtigen sein.

Straubinger Tagblatt; Bogener Zeitung; 3.11.2022