UNESCO

„Wir drehten das Radiogerät auf volle Lautstärke und tanzten“

Einige der Zeitzeugen, die in der Ausstellung der VHG-Schüler zu Wort kommen:

Clemens Kink, Schulleiter am VHG Bogen, beim Mauerfall 25 Jahre alt: „Ich bin mit dem Eisernen Vorhang aufgewachsen. Günter Schabowskis Ab-Sofort zur freien Ausreise aus der DDR war für mich einfach unfassbar, aber auch irgendwie beunruhigend.“

Hans Liebl, VHG-Schülervater, beim Mauerfall 17 Jahre alt: „In den vorherigen Tagen und Wochen wurde es bereits angedeutet durch die Nachrichten, die man bekommen hat, dass das Land offener werden würde. Aber dass die Mauer so schnell fallen würde, war unvorstellbar! Den Gedanken konnte man nicht greifen. Diese Zeit kann man am besten mit dem Wort ‚bewegend‘ beschreiben.“

Karl Loibl, VHG-Schülergroßvater, beim Mauerfall 43 Jahre alt: „Ich war sehr überrascht, dass die Mauer tatsächlich gefallen ist, da jegliche Demonstrationen in der DDR brutal niedergeschlagen wurden. Es war aber auf jeden Fall längst überfällig, weil der Staat die Bürger unterdrückte und die wirtschaftlichen Probleme immer größer wurden.“

Ute Börner-Pietsch, Unesco-Schulkoordinatorin am Innerstädtischen Gymnasium Rostock, Unesco-Landeskoordinatorin von Mecklenburg-Vorpommern, im November 1989 Studentin: „Am Abend fiel auf, dass einige Mitstudenten aus der Seminargruppe fehlten. Am nächsten Tag erfuhren wir, dass sie in dieser Nacht in Westberlin waren. Eine Kommilitonin kam mit einem riesengroßen tragbaren Radiogerät zurück, das sie geschenkt bekommen hatte. Das drehten wir auf volle Lautstärke auf und tanzten.“

Regine Koch, stellvertretende Schulleiterin am Innerstädtischen Gymnasium Rostock, beim Mauerfall 31 Jahre alt: „Es war für mich ein großes Staunen und eine gewisse Ungläubigkeit, dass die Grenze offen sein soll. Meine Mutter hatte bereits im Sommer prophezeit, dass Deutschland wieder ein Land werden wird. Nach der Grenzöffnung kamen viele Westdeutsche nach Rostock und kauften für wenige Ostmark, die sie noch umtauschen mussten, Kinderkleidung, Lederschuhe und andere Konsumgüter, die für sie sehr billig waren. Auch die Restaurants füllten sich mit ihnen und wir fühlten uns ein wenig ‚ausverkauft‘.“

Andrea Prechtl, Redakteurin beim Straubinger Tagblatt, beim Mauerfall 20 Jahre alt, Studentin: „Damals dachte ich zwar, die DDR würde bestehen bleiben und die Grenze dorthin eine so normale wie etwa die zu Österreich werden, aber dennoch notierte ich am 10. November in mein Tagebuch: ,Der Tag der Deutschen Einheit war gestern.‘ Damals wurde der Tag der Deutschen Einheit ja noch am 17. Juni begangen, in Erinnerung an den Volksaufstand in der DDR, der 1953 mit Hilfe sowjetischer Panzer niedergeschlagen worden war.“

Heidi Kraus, Unesco-Schulkoordinatorin am VHG Bogen, Unesco-Landeskoordinatorin von Bayern, im November 1989 in der sechsten Klasse: „An den Abend des Mauerfalls kann ich mich überhaupt nicht erinnern, wohl aber an die Montagsdemonstrationen. Diese Bilder von den Menschenmassen auf den Straßen haben sich mir eingebrannt. Ich habe gespürt, dass das für die Menschen dort gefährlich war, aber von ihnen eine unglaubliche Kraft ausging.“

Straubinger Tagblatt / Bogener Zeitung; 3.11.2022