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„Das schwarze Schaf schlägt zu“ – Adrian Hölzels Geschichte über einen tierischen Superhelden wird im Straubinger Tagblatt veröffentlicht

In regelmäßigen Abständen bekommen unsere Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, dass ihre kreativen Geschichten oder Texte im Straubinger Tagblatt veröffentlicht werden. Am Samstag, den 29.04.2023, war Adrian Hölzel aus der 6c an der Reihe, der diese spannende Geschichte über einen tierischen Superhelden geschrieben hat. 

Das schwarze Schaf schlägt zu

Bewundert ihr Superhelden? Unermüdlich kämpfen sie gegen das Böse und retten täglich tausende von Menschenleben. Man könnte wirklich stolz auf sich sein, wenn man ein Superheld wäre! Doch an dieser Stelle muss ich euch etwas verraten: Ich bin einer. Zwar sehe ich anders aus als diese durchschnittlichen Superhelden, wodurch ich jedoch nicht weniger heldenhaft bin. Aber was genau macht mein Superheldendasein so einzigartig? Ich gebe euch mal einen kleinen Tipp: Wenn ich mich freue, wedle ich wie wild mit meinem Schwanz und manche Menschen behaupten, ich würde aussehen wie eine Wurst auf vier Beinen. Diesen Personen sei gesagt, dass sie selber so aussehen! Ich hingegen sehe aus wie ein anständiger Dackel, denn genau das bin ich auch: ein wunderschöner Superdackel namens Agent Bone! Nicht gerade die heroischste aller Hunderassen? Immer diese Vorurteile! Da seid ihr doch glatt auf meine perfekte Tarnung hereingefallen. Wobei sogar Martin, mein elfjähriges Herrchen, lange Zeit nicht das Geringste von meiner geheimen Identität ahnte. Doch durch ein haarsträubendes Ereignis änderte sich das schlagartig:„Wann kommt endlich mal ein Bösewicht vorbei? Hier draußen ist es so schrecklich langweilig! Können wir uns nicht einfach in unser Hundekörbchen legen?“, jammerte Agent Ham. Agent Ham, ein dicklicher Mops, war mein Superheldenkollege und wir überwachten zusammen das nächtliche Treiben vor unserem Haus. Doch seit wir den Kreis der Superhelden gegründet hatten, der nur aus uns beiden bestand, war nichts Aufregendes mehr geschehen. Es war ein beschaulicher Samstagabend. Der volle Mond schien hell vom Himmel und nur der Ruf einer Eule war zu hören. „Das Superheldenleben ist nun mal kein Zuckerschlecken! Du wirst sehen, sobald wir unseren Wachposten verlassen, kriechen die Unholde nur so aus ihren Löchern! Es ist hier nur so ruhig, weil alle Verbrecher Angst vor uns haben.“, erklärte ich meinem Freund, der oft etwas begriffsstutzig war. Doch kaum hatte ich das gesagt, verspürte ich eine quälende Notdurft, die mit jeder verstrichenen Sekunde dringlicher wurde. „Ich kontrolliere kurz das Gebüsch da drüben, denn dort habe ich ein Geräusch gehört!“, log ich und raste auf eine Hecke zu. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich jedoch noch nicht, welche Folgen meine „Kontrolle“ haben würde. Gerade wollte ich mich erleichtern, da hörte ich tatsächlich ein Geräusch! Ein Knistern und Tapsen! Wie.. von einer Ka...! Der Gedanke war zu schrecklich, um ihn zu vollenden. Ich bellte sofort los: „Agent Ham! Schnell! Ich habe einen Bösewicht aufgespürt!“ „Wie hast du mich gerade genannt? Du angeberischer, selbstgefälliger Köter! Du Wurst auf vier Beinen!“, zischte eine kaltblütige Stimme aus der Dunkelheit. Ich spürte, wie mir das Rückenfell zu Berge stand. Ich fletschte die Zähne und ließ ein lautes Knurren aus meiner Kehle erklingen. Ein widerlicher Geruch zog in meine Nase. „Eindeutig verfaulter Fisch!“,analysierte ich fachmännisch. Inzwischen konnte ich den Umriss einer verwahrlosten Katze erkennen. Verwegen, wie sie war, wich sie jedoch keine Schnurrbartlänge vor mir zurück. Mit glühenden Augen starrte sie mich gehässig an. Mit der Zeit wurde mir immer mulmiger zumute. Das schien mir aber ein furchtloser Gangster zu sein! Erst jetzt bemerkte ich, dass das nicht nur eine Katze war – nein, es war eine ganze Gang. Sie hatten mich umzingelt. Endlich kam mir Agent Ham zur Hilfe. Er raste auf die Katzen zu. Diese stoben vor Schreck fauchend und kreischend auseinander und ergriffen Hals über Kopf die Flucht. „Lasst euch hier nie wieder blicken, ihr Feiglinge!“, bellte ich ihnen nach.
„Gegen die zunehmende Bandenkriminalität müssen wir dringend etwas unternehmen! Am besten sollte man diese Schurken einsperren!“, regte ich mich auf. „Du meinst, in einem Gefängnis, wie in den Krimis im Fernsehen?“, fragte Agent Ham dümmlich. „Nein, für diese Gangster braucht es ein Hochsicherheitsgefängnis, sonst bringt das gar nichts!“, antwortete ich grummelnd und schüttelte bedächtig den Kopf. „Leider gibt es aber keine Gefängnisse für diese Viecher.“,führte ich weiter aus. „Sperren wir sie doch in eine Mülltonne!“, keifte Agent Ham. „Und du wirfst sie dann da rein, du Schlaumeier?“, spottete ich. „Wir werfen die Tonne einfach um und locken die Halunken hinein, du Superhirni!“, konterte Agent Ham und wenn es heller gewesen wäre, hätte ich bestimmt gesehen, wie er mir seine Zunge herausstreckte. Aber wenigstens kam mal etwas Schlaues aus seinem Maul. Also ignorierte ich seine Provokation großzügig: „Genau so machen wir es! Du lockst sie hinein, indem du sie beschimpfst! Dann rennst du in die Mülltonne. Ich halte dir den Deckel auf. Wenn alle Katzen drinnen sind, springst du wieder raus und ich schlage die Klappe zu. Fertig!“ Ich war von meinem genialen Plan begeistert. Aus unverständlichem Grunde hielt sich die Begeisterung meines Kollegen in Grenzen. „Aber was, wenn ich nicht mehr rechtzeitig rauskomme – oder nicht mehr lebend?“, nörgelte Agent Ham an meinen tollen Plan herum. „Ach papperlapapp! Oder hast du etwa Angst?“, forderte ich ihn heraus. Agent Ham reagierte prompt: „Natürlich nicht! Komm, die Mission kann starten!“
„Auf geht´s! Werfen wir so geräuschlos wie möglich die Mülltonne da drüben um!“, befahl ich. Agent Ham machte sich sofort an die Arbeit und ich gab ihm Anweisungen. Mit lautem Getöse krachte die Tonne zu Boden. Leere Konservendosen und anderer unappetitlicher Müll verteilten sich gleichmäßig über die Straße. „So, jetzt müssen wir nur noch diese Banditen finden!“, wollte ich gerade sagen, da hörte ich hinter mir wieder das Tapsen und Rascheln, das ich zuvor bereits im Gebüsch vernommen hatte. Hastig riss ich den Deckel der Mülltonne auf und Agent Ham schlüpfte hinein. Doch da sah ich schon die johlende Katzenhorde auf mich zustürmen. Der Boden bebte unter meinen Pfoten. Krallen blitzten wie die Dolche von Piraten im Mondlicht auf. Gelbliche, säbelartige Zähne ragten meterweit aus den nach Blut lechzenden Mäulern. „Auf sie mit Gebrüll!“, grölte der einäugige, struppige Anführerkater heiser. Ich wusste nicht, wie mir geschah, doch schon stand ich gut versteckt hinter einer Hausecke und beobachtete aus sicherer Entfernung das Geschehen.
„Aha! Wer hat sich denn da in der stinkenden Mülltonne verkrochen? Zwei armselige Schoßhündchen!“, schnurrte der Anführer hinterhältig. Aus der Menge kam Gelächter. „Was die schlauen Hündchen aber nicht bedacht haben, ist, dass es dort auch eine Klappe zum Schließen gibt! So ein Zufall, dass morgen die Müllabfuhr kommt!“ Mit diesen Worten knallte der Kater lässig den Mülltonnendeckel zu und es erschallte tosender Applaus. Beschwichtigend hob der Anführer seine Tatze und rief: „Unsere Arbeit ist jedoch noch nicht vollendet: Diesen Deckel anzuheben ist selbst für Hunde einfach, deshalb müssen wir den Deckel blockieren! Lasst ihn uns gegen die Hauswand dort drüben schieben!“ Was für ein hinterlistiger Plan! Dann sah ich, wie die Mülltonne in meine Richtung gezerrt wurde. Mucksmäuschenstill machte ich mich aus dem Staub.
Die Katzen hatten wirklich gedacht, wir wären in die Mülltonne geflohen! So dumm waren wahrscheinlich nur Katzen. Aber so suchten sie wenigstens nicht nach mir. Doch wie sollte ich Agent Ham retten? Würde die Mülltonne wirklich morgen geleert werden oder wollte uns der Anführerkater nur Angst einjagen? Alleine würde ich es jedenfalls nie schaffen, die Tonne zu bewegen! Es blieb mir nur eines: Ich musste Hilfe holen.
Keuchend raste ich zur Hundeklappe an unserer Hintertür. Da! Ich erkannte den Umriss einer Person. Ein Geruch nach Würsten stieg mir in die Nase. Es war Onkel Bernd!
Onkel Bernd war der Bruder von Martins Vater. Jeden Sonntag pünktlich zum Mittagessen, wenn unser Onkel auf Besuch kam, brachte er mir Salamiwurst mit, die ich jedes Mal begeistert verzehrte. Aus irgendeinem Grund war Papa, so heißt nämlich Martins Vater, der Meinung, dass wir auf Onkel Bernd achten müssten, weil er lange Fingern hätte. Das stimmte aber gar nicht. Ich wusste das, weil ich immer seine Finger abschlabberte. Er hatte eher kurze Wurstelfinger. Natürlich war ich sehr erfreut, Bernd zu sehen. „Onkel Bernd, Onkel Bernd, Onkel Bernd! Du musst mir helfen!“, hechelte ich aufgeregt und sprang wie ein Wahnsinniger an ihm hoch. Onkel Bernd schien jedoch nicht gerade erfreut über mein Auftauchen zu sein und begann wilde Flüche auszustoßen, die ich hier nicht erwähnen möchte. Im Haus gingen die Lichter an und Onkel Bernd ergriff die Flucht und sprang mit einem Satz über den Gartenzaun. Dabei ließ er einen metallenen Gegenstand fallen. Verzweifelt rannte ich ihm hinterher. „Onkel Bernd! Ich brauche deine Hilfe! Mein Freund ist in der Mülltonne eingesperrt!“, rief ich ihm nach, doch da war er schon in der Dunkelheit verschwunden. Resigniert drehte ich mich um. „Oh, da steht ja meine ganze Familie mitten in der Nacht im Garten!“, wunderte ich mich. Papa im Morgenmantel und mit Pantoffeln an den Füßen schaute sich die Eisenstange an, die ich nun als Brecheisen identifizieren konnte. „Da wollte anscheinend jemand bei uns einbrechen!“, kombinierte er. Jetzt wurde mir alles klar: Onkel Bernd wollte bei uns einbrechen! „Aber zum Glück hat Schnuffi die Einbrecher vertrieben! Schnuffi, du bist ein wahrer Superheld!“, rief Martin voller Begeisterung. „Ich heiße nicht Schnuffi, ich heiße Agent Bone! Wie oft soll ich das noch bellen?“, korrigierte ich mein Herrchen. „Als Belohnung kriegst du eine Wurst!“, verkündete Mama, so heißt nämlich Martins Mutter, mit feierlicher Stimme. „Eine Wurst!
Juhu! Juhu!“, jubelte ich, „Ich liebe Würste!“ Und schon kam Mama mit einer XXL-Packung Würste aus der Küche zurück. Schwanzwedelnd machte ich Männchen. Nach meinem wohlverdienten Mahl lag ich mit vollem Bauch, erschöpft, aber glücklich in unserem Hundekörbchen. Aber... da fehlte doch etwas! Was nur? Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Agent Ham! Der Arme schmorte wahrscheinlich nach wie vor in der Mülltonne! Ich musste ihn umgehend retten! Sofort raste ich ins Schlafzimmer, sprang wie ein Flummi auf dem Bett herum und kläffte dabei aus voller Kehle. „Nein, nein du Känguru! Geh weg!“, schimpfte Papa im Halbschlaf. „Das ist Schnuffi! Was hat er denn? Womöglich sind die Einbrecher zurück!“, befürchtete Mama. Auch Martin war von meinem Tumult aufgewacht. Als nächstes begann ich, wie ein Besessener an der Haustüre zu kratzen. Allmählich kam wieder Bewegung in unser Haus. Endlich folgten mir alle ins Freie. „Ja wer hat denn unsere Mülltonne umgeworfen?“ fragte Mama entrüstet. „Hallo Agent Ham! Wir sind gekommen um dich zu retten! Du musst ganz laut winseln, dass die Menschen dich hören!“, befahl ich Agent Ham. Irgendwie fühlte es sich komisch an, zu einer Mülltonne zu sprechen, aber ich wusste ja, dass mein Freund darin gefangen war. Die Mülltonne bellte freudig. „Oh nein, da drinnen muss Bello sein! Bestimmt war das dieser miese Einbrecher, der unseren lieben, süßen, sensiblen Bello in dieses stinkige Loch gesteckt hat! Wenn ich den erwische!“, schimpfte Martin mit Tränen in den Augen. Mit wedelndem Schwanz beobachtete ich die Befreiung Agent Hams. Freudig begrüßten wir uns und Agent Ham schleckte mir das Gesicht ab. „So, jetzt müssen wir aber schnell ins Bett! Morgen kommt Onkel Bernd!“, gähnte Mama und ich knurrte, als sie den Namen dieses scheinheiligen Würstchenspendierers erwähnte. „Keine Sorge, ich habe ihm gesagt, wir seien in den Urlaub gefahren!“, lachte Papa. „Das hast du gut gemacht! Dann können wir nach dieser turbulenten Nacht wenigstens mal ausschlafen!“, lobte ihn Mama.
Ob Papas Ausrede wirklich so schlau war?

Foto: Straubinger Tagblatt, 29.04.2023