UNESCO Geschichte

„Wir sind ein Team, ein Europa“- Vortrag und Podiumsdiskussion behandeln die Frage, inwieweit die Europäische Union das Leben jedes Einzelnen betrifft

Als „unkonventionell“ bezeichnete Professor Heinrich Oberreuter den Einstieg in seinen Impulsvortrag, den er am Freitag im Kulturforum Oberalteich gehalten hat. Es waren Fragen wie „Du möchtest deinen Führerschein machen?“ oder „Du möchtest studieren, vielleicht sogar in Oxford oder Cambridge?“, mit denen der Politikwissenschaftler die Schüler des Veit-Höser-Gymnasiums Bogen (VHG) direkt ansprach und auf die Frage des Vormittags lenkte: „Wie nah ist uns Europa?“

Zu diesem Thema hatten der Förderverein für Kultur und Forschung gemeinsam mit dem VHG nicht nur den Politikwissenschaftlicher eingeladen, sondern auch Parteivertreter für eine Podiumsdiskussion. Doch zunächst gab Oberreuter in seinem Vortrag die Antwort auf seine Fragen, die er den Schülern eingangs gestellt hatte. Bereits der europaweit gültige Führerschein oder die Möglichkeit im Ausland zu studieren, Stichwort Erasmus-Programm, zeige die Nähe der Europäischen Union zu jedem Einzelnen. „Und wenn ihr immer noch nicht wisst, wie nah euch Europa ist, dann greift in eure Hosentasche. Da ist der Euro drin!“

Einfluss bis in die Heimat

Oberreuter zeigte, dass die EU im Alltag permanent in Erscheinung tritt, beispielsweise bei Fördermitteln und Programmen für Streuobstwiesen, Vereinsheimen oder mobilen Saftpressen. Es seien letztlich „wahnsinnig viele Kompetenzen“ der EU, die bis in die Heimat hinein wirken. Oberreuter betonte aber: „Vieles trägt dazu bei, dass wir in angenehmen Umständen leben können, die sicher nicht so wären, wenn es die EU nicht geben würde.“ Er wies zudem darauf hin, dass ein überwiegender Teil der Landesbevölkerungen sich als Bürger Europas verstehen. Ausnahmen seien Staaten in Krisensituationen wie etwa Griechenland mit der andauernden Schuldenkrise oder aber in Ländern mit einem ausgeprägten Nationalbewusstsein.

Der Politikwissenschaftler Oberreuter kam zuletzt auf drei Grundideen hinter der Europäischen Union zu sprechen, „an denen es festzuhalten gilt“: Grundwerte, Identitäten und Frieden. Die aktuelle Situation in der Ukraine zeige, dass gerade Letzterer keineswegs selbstverständlich ist. Als Schulbub habe er selbst noch das im Zweiten Weltkrieg zerbombte Würzburg erlebt – aus einer Erfahrungswelt wie dieser sei es wichtig, dass der Wert des Friedens kommenden Generationen immer wieder aufs Neue vor Augen geführt werde. Dabei soll auch Europa als Modell, das Wohlstand garantiert stärker in den Fokus gerückt werden und es kein Widerspruch, sich zur Heimat und zu Europa zu bekennen.

Wahlalter absenken?

Anschließend ging es zur Podiumsdiskussion mit Parteivertretern, wobei Hans Sagstetter vom VHG als Moderator das Fehlen der AfD und der Linken eigens erklärte. Den Anfang machte Marvin Kliem von der SPD. Er erklärte die Absicht seiner Partei, Europa solle „näher an junge Leute heranwachsen“ und deren Stimme mehr berücksichtigt werden. Ein Schritt in dieser Richtung ist laut Kliem die Absenkung des Wahlalters für das Europaparlament auf 16 Jahre. Es war das Thema Wahlalter, das viele Teilnehmer beschäftigte – mehrfach fragten Schüler, warum das Wahlalter nicht auch in Bund und Ländern abgesenkt werde, gefolgt vom Applaus der übrigen Jugendlichen.

„Wenn das Wahlalter 16 kommt, werde ich nicht auswandern“, sagte Oberreuter mit einer gehörigen Portion Humor zu diesem Vorschlag. Als Vertreter der CSU hielt Bernd Sibler am aktuellen Wahlalter fest, gekoppelt an die volle Geschäftsfähigkeit als „rechtliche Einheit“. Im Gegensatz dazu signalisierte Alexander Muthmann (FDP) seine Zustimmung und appellierte an die Jugendlichen, von allen Möglichkeiten zur Partizipation Gebrauch zu machen. Das sagte auch Ludwig Waas (FW), der an die Teilhabe in der Gesellschaft, etwa in Vereinen, erinnerte. Gleichzeitig betonte er, dass die Jugendlichen keine Angst zu haben brauchen, nicht gehört zu werden. „Ihr seid nicht die letzte Generation, sondern die Generation der Zukunft. Da ist die EU der richtige Ort, aktiv die Zukunft selbst mitzugestalten.“

Hitziger wurde die Diskussion, als Florian Leutschafft aus der Q11 auf das zahlenmäßige Ungleichgewicht zwischen jüngerer und älterer Bevölkerung zu sprechen kam. Darauf reagierte Bernd Sibler, er wolle nicht, dass Gräben zwischen Alt und Jung gezogen werden. Leutschafft kam schließlich ans Podium und äußerte seine Bedenken, dass die „Stimme der Jugend zwar gehört, aber von dem höheren Anteil der Älteren überstimmt wird“. Gleichzeitig betonte er, dass er niemandem etwas wegnehmen wolle, schon gar nicht der älteren Generation das Wahlrecht. Von seinen Mitschülern gab es dafür reichlich Applaus und es war Feride Niedermeier von den Grünen, die die passenden Worte zum Abschluss der Diskussion fand: „Wir sind ein Team, ein Europa.“

Hans Reimann